Als Egoist möchte man eigentlich lieber nicht bezeichnet werden. In unserer Gesellschaft wird das sehr oft als negative Eigenschaft verstanden, was ja auch durchaus seine Richtigkeit hat. Aber gibt es ihn denn, den guten Egoisten?
Um das zu beantworten, kann man schon mal eine grosse Gruppe von Menschen ausschliessen. Die Egozentriker. Ja, das ist nicht das gleiche wie ein Egoist. (Obwohl wir die Beiden in unserem Sprachgebrauch häufig durchmischen). Wenn man andere Menschen und Dinge nur an sich selbst oder an der eigenen Wahrnehmung misst, ist ein einfühlsamer und toleranter Umgang mit seinen Mitmenschen nur noch eingeschränkt möglich. Steht der Egozentriker in seiner Weltordnung doch immer an aller erster Stelle.
Auch den rücksichtslosen Egoisten schliesst man am besten gleich aus. Für ihn geht der eigene Vorteil und das eigene Wohl vor dem der anderen. Dabei nimmt er wenig Rücksicht auf die Verluste anderer. Da stellt sich natürlich die Frage, ob bei egoistischem Verhalten nicht immer jemand den Kürzeren zieht. Bei den oben genannten Gruppen ganz sicher, verallgemeinern möchte ich es trotzdem nicht. Natürlich gibt es Situationen in denen das so ist, aber ich denke, man darf die ganze Sache nicht in einem Schwarz-Weiss Schema betrachten. Schliesslich ist nicht alles, dass anders läuft als erwartet schlecht. Und nicht alles, dass wie geplant verläuft ist gut und macht uns glücklich.
Aber was erwarte ich mir denn, vom guten Egoisten?
Der gute Egoist ist nach meinem Verständnis ein Mensch, der mit einer guten Portion Selbstwahrnehmung und dem Bedürfnis sich selbst zu schützen und sich Sorge zu tragen ausgestattet ist. Der gute Egoist ist in der Lage, Entscheidungen so zu treffen, dass es ihn weiterbringt und glücklich macht, möglichst ohne seine Mitmenschen dabei einsehen zu lassen. Es versteht sich von selbst, dass das nicht immer möglich ist. Entscheidungen haben es so an sich, dass man einen Weg einschlägt und einen anderen hinter sich lässt. Das kann auch enttäuschte Gesichter zurück lassen. Irgendwie klingt es hart, aber dem guten Egoisten muss das bewusst sein. Es soll ihm aber nicht egal sein, er macht sich auch Sorgen und Gedanken darüber, fühlt mit seinen Mitmenschen mit und versucht zu helfen. Aber eben nur bis zu dem Punkt hin, an dem er mehr Kraft geben kann, als es ihm entzieht. Viellicht ist der gute Egoist ein wenig der Gegenpol zu all denen Menschen, die es allen anderen Recht machen wollen und dabei sich selbst vergessen.
Der gute Egoist ist für mich insofern selbstbezogen, als dass er Situationen aus einer Ich-Perspektive angeht. Was habe ich zum Problem beigetragen? Was kann ich ändern damit es für mich wieder stimmt? Und da es am effizientesten ist, Probleme aus dem Weg zu räumen indem man bei sich selbst anfängt, muss der gute Egoist selbstkritisch sein.
So weit so gut. Aufgeschrieben klingt alles so einfach, so herrlich plausibel. Zurück zur Frage vom Anfang: Gibt es ihn denn, den guten Egoisten?
Ja ich bin mir sicher es gibt ihn. Nicht vollkommen und nicht perfekt. Ich glaube, dass es sehr viel ehrliche Selbstreflexion braucht und auch Erfahrung im Umgang mit Situationen, in denen man selbst etwas enttäuscht zurückbleibt. Aber genau diese Erfahrungen zeigen einem doch, dass man
schlussendlich in erster Linie seines eigenen Glückes Schmied ist.